BU-Leistungspraxisstudie Teil 5: Verweisung und Umorganisation
Ein Berufsunfähigkeitsversicherer kann für den Leistungsfall grundsätzlich ein Verweisungsrecht vereinbaren. Hierbei ist eine abstrakte und konkrete Verweisung auf eine andere (zumutbare) Tätigkeit möglich und gesetzlich verankert. Bei Selbstständigen kann der Versicherer zudem prüfen, ob eine Umorganisation des Betriebes realisierbar ist.
Wir haben die Entwicklung der Verweisungs- und Umorganisationsquote im Rahmen unserer BU-Leistungspraxisstudie analysiert, zum Einen, wie oft verwiesen wird, zum Anderen dahingehend wie hoch der Anteil der als problematisch angesehenen abstrakten Verweisung ist. Die Ergebnisse…
Verweisungsmöglichkeiten
Abstrakte Verweisung
Versicherer können in den Versicherungsbedingungen festlegen, dass sie den Versicherten auf einen anderen Beruf verweisen dürfen, um Berufsunfähigkeit abzuwenden, sofern dabei die soziale Stellung und die Einkommenssituation nicht spürbar absinken. Dabei ist unerheblich, ob man in diesem so genannten „Verweisungsberuf“ auch tatsächlich eine Arbeitsstelle bekommt. Seit 2001 wird auf das Recht der „abstrakten Verweisung“ seitens der Versicherer üblicherweise verzichtet. Die Möglichkeit zur abstrakten Verweisung gibt es zwar noch, aber nur noch in wenigen Tarifen.
Konkrete Verweisung
Abzugrenzen von der abstakten Verweisung ist die konkrete Verweisung. Hierbei übt der Versicherte, obwohl er berufsunfähig in seinem bisher ausgeübten Beruf ist, eine andere Tätigkeit aus. Verweist der Versicherer ihn auf diese Tätigkeit, handelt es sich um eine konkrete Verweisung.
Die Key-facts zur Studie
- Untersuchte Gesellschaften: AachenMünchener, Ergo, HDI, Nürnberger, Stuttgarter, Swiss Life und Zurich
- Gesamtbestand von 4,8 Mio. BU-Versicherten (davon 1,4 Mio. BUZ zur Beitragsbefreiung der Hauptversicherung)
- BU-Leistungsbestand zum Jahresende 2012 von rund 75.000 Fällen
- Ca. 22.400 BU-Leistungsfall-Neuanmeldungen (das entspricht über 50% des Gesamtmarktes an Leistungsfällen)
- Stichprobenumfang vor Ort: Über 700 Leistungsfälle, davon 75% Ablehnungen
Beispielklausel für die konkrete Verweisung:
Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens sechs Monate ihrem vor Eintritt des Versicherungsfalls zuletzt ausgeübten Beruf – so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war – nicht mehr nachgehen kann und in dieser Zeit auch keine andere Tätigkeit ausübt, zu der sie aufgrund ihrer Ausbildung und Fähigkeiten in der Lage ist und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Auf die abstrakte Verweisung verzichten wir.
Umorganisation
Bei Selbständigen oder Freiberuflern prüfen Versicherer eine mögliche (und zumutbare) Umorganisation des Betriebes, der Praxis oder der Kanzlei, um eine Berufsunfähigkeit zu vermeiden. Bestimmte Voraussetzungen z. B. zur wirtschaftlichen Angemessenheit müssen für die Umorganisation von Selbstständigen erfüllt werden. Diese sind durch die Rechtsprechung des BGH vorgegeben, lassen aber vielfältige Auslegungsmöglichkeiten offen.
Wir analysieren die im Bedingungswerk der Versicherer enthaltenen Regeln zur Verweisung und Umorganisation des Arbeitsplatzes im Rahmen unseres BU-Produktratings akribisch, basierend auf der umfangreichsten Produktanalyse im Markt. Unser Qualtätsurteil finden Sie auf unserer Homepage stets aktualisiert.
Ergebnis unserer BU-Leistungspraxisstudie
Das Ergebnis unserer BU-Leistungspraxisstudie verdeutlicht, dass die Möglichkeit der Verweisung und Umorganisation eine untergeordnete Rolle spielt: Eine Entscheidung des Versicherers auf Verweisung oder Umorganisation kommt in Summe nur bei 2,8 Prozent der abgelehnten Leistungsfälle zum Tragen (vergleichen Sie dazu BU-Leistungspraxisstudie Teil 2: Keine Leistung heißt Ablehnung – oder vielleicht doch nicht?).
Der Anteil der als problematisch dargestellten abstrakten Verweisung beträgt für 2012 im Mittel nur 2,1 % der Ablehnungen. 2012 lag der Wert dabei ungewöhnlich hoch. Über mehrere Jahre geglättet beträgt der Wert 1,3 %.
Die Quote der abstrakten Verweisung sinkt in den letzen Jahren (mit Ausnahme des Jahres 2012), da zunehmend Verträge ohne abstarkte Verweisung in die Leistungsprüfung kommen.
Wir haben die Zahlen für Sie grafisch veranschaulicht:
Auch wenn der Anteil der Ablehnungsgründe Verweisung und Umorganisation an der Gesamtzahl der Ablehnungen gering erscheint, sollten diese Aspekte bei der Auswahl des passenden Produktes berücksichtigt werden.
Der Verzicht auf die abstrakte Verweisung ist ohne Zweifel ein Qualitätsmerkmal für ein hochwertiges BU-Produkt, schlägt sich allerdings auch im Beitrag nieder. Für Kunden, die sich eine Komfort-BU in ausreichender Höhe nicht leisten können, könnte somit – natürlich nur nach eingehender Beratung mit entsprechender Dokumentation – eine Basis-BU ohne Verzicht auf die abstrakte Verweisung eine günstigere Alternative sein. Für Selbständige ist der Verzicht auf die abstrakte Verweisung weniger relevant, wichtig sind hier vielmehr detaillierte Regelungen zur Ausgestaltung der Möglichkeit der Umorganisation.