Nachhaltige Kapitalanlage bei Versicherungen - ESG-Report 3.0
Beim Thema Nachhaltigkeit in der Versicherungsbranche, steht die Kapitalanlage zumeist nicht im Fokus. Dabei bietet sie, auch im Vergleich zu anderen Branchen, einen großen Hebel. Wir untersuchen im ESG-Report wie es um nachhaltige Kapitalanlagen bei Versicherern steht.
Kapitalanlage der Versicherer im Fokus der Regulierung
Schon wenige Zahlen machen die Dimensionen deutlich: 2021 belief sich die Kapitalanlage der Erstversicherer auf 1.811 Mrd. Euro und steigt weiterhin stetig an. Die Bedeutung wird klar, wenn man sich vor Augen führt, dass der Bundeshaushalt im selben Jahr bei ca. 557 Mrd. Euro lag.
Mit diesem Investitionsvolumen kann die Versicherungswirtschaft enorme Lenkungswirkung auf andere Unternehmen und Branchen entfalten. Dabei geht es um die Balance zwischen einer nachhaltigen Anlage unter Berücksichtigung der Anlagevorschriften und einer möglichst hohen Rendite. Mittlerweile zeigen Untersuchungen, dass eine nachhaltige Kapitalanlage per se keine schlechtere Rendite erzielt als andere Anlagen. Nachhaltigkeit etabliert sich zunehmend als Qualitätsfilter und Anlagekriterium.
Verordnungen der EU beschleunigen die Ausrichtung der Versicherungsbranche an ESG-Kriterien. Dazu zählen die „Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor“ – kurz Transparenzverordnung oder Offenlegungsverordnung –, die Verordnung zur Änderung der delegierten Verordnung (EU) 2015/35 (SII-DVO), die Verordnung hinsichtlich der Integration von ESG Faktoren in die Insurance Distribution Directive (IDD) sowie die Taxonomie-Verordnung. Seit 2022 sind die ersten beiden Ziele der Umwelt-Taxonomie, Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel, anzuwenden. Die restlichen vier Ziele folgen. Versicherungsunternehmen müssen gemäß der Taxonomie berichten und ihre Nachhaltigkeitsstrategie für Kapitalanlagen offenlegen.
Nachhaltige Anlagestrategien der Versicherer
Es gibt eine Vielzahl von Strategien, die zur Umsetzung der Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage herangezogen werden können, wie zum Beispiel Negativkriterien oder der Best-In-Class-Ansatz. Die verschiedenen Strategien sollen im Folgenden beleuchtet werden. Dabei haben wir nur Strategien berücksichtigt, die bereits bei Versicherern bzw. deren Kapitalanlegern etabliert sind. Zukünftige (geplante) Umsetzungen einer Strategie fließen in die Betrachtungen also nicht ein. Unterschiedliche Anlagestrategien schließen einander nicht zwangsläufig aus. So ist es beispielsweise möglich, dass ein Versicherer sowohl einen Best-in-Class-Ansatz (BiC) verfolgt als auch eine Negativselektion. Hier könnte ein Versicherer kontroverse Branchen per se ausschließen (Negativselektion) und in den verbleibenden Branchen das beste Unternehmen (BiC) herausfiltern.
Waffen und Verstöße gegen Menschenrechte häufigste Ausschlusskriterien bei Versicherern
Der Ausschluss einzelner Unternehmen hat eine deutlich geringere Auswirkung auf das Anlageportfolio, als der Ausschluss ganzer Staaten. Deswegen sind die Ausschlusskriterien für Unternehmen deutlich verbreiteter als für Staaten. Hier wird der Zwiespalt der Kapitalanleger deutlich: Auf der einen Seite ist eben genau diese Reduktion des Anlageuniversums Grundgedanke nachhaltiger Kapitalanlage. Auf der anderen Seite sind Versicherer ihren Kunden gegenüber verpflichtet, eine angemessene Rendite zu erwirtschaften. Die folgende Grafik zeigt die gängigsten Ausschlusskriterien für Unternehmen. Dabei lassen sich zwei „Favoriten“ herauskristallisieren: Waffen und Verstöße gegen Menschenrechte.
Wie haben sich die Ausschlüsse in der Kapitalanlage der Versicherer entwickelt?
Wie bereits im letzten ESG-Report haben wir auch diesmal einen Blick auf die Entwicklung der Ausschlüsse für Unternehmen bzw. Branchen geworfen. Dabei konnte erneut eine positive Entwicklung beobachtet werden. Für die Untersuchung wurden neun Ausschlüsse ausgewählt, die in allen drei Jahren untersucht wurden. Zehn Versicherer haben für alle drei Jahre Angaben zu den Ausschlüssen getätigt. Bis auf den Ausschluss zu kontroversen Waffen wurden alle Ausschlüsse im Vergleich zum 1. ESG-Report häufiger angewandt.
Den größten Zuwachs hatten die Ausschlüsse zu Arbeitnehmerrechten, Menschenrechten, Öl und Kohle. Bei einem Blick auf die gesamt angewendeten Ausschlüsse pro Teilnehmer ergibt sich ebenfalls ein positives Bild. Die Teilnehmer der Untersuchung im ersten ESG-Report hatten im Mittel lediglich 6,1 Ausschlüsse formuliert. Im 2. ESG-Report waren es bereits 7,4 Ausschlüsse pro Teilnehmer und im 3. ESG-Report dann 10,7 Ausschlüsse pro Teilnehmer. Es ist deutlich zu erkennen, dass die Nachhaltigkeit der Kapitalanlage, auch aus regulatorischen Gründen, immer mehr in den Fokus der Versicherer rückt.
Emissionen der Kapitalanlage
Um die Wirkung der Nachhaltigkeitsstrategie der Kapitalanlage, insbesondere im Bereich Umwelt, bewerten und verbessern zu können, ist es wichtig, die Treibhausgasemissionen der gesamten Kapitalanlage zu erfassen. 19 der 28 befragten Versicherer erfassen diese Daten bereits für ihr Portfolio. Zwei weitere Versicherer haben es in Planung, fünf verneinen die Erfassung und zwei machen hierzu keine Angaben.
Mehr Informationen zum Thema gibt es im ESG-Bereich auf unserer Webseite oder auch in vielen anderen Blogbeiträgen zum Thema ESG.
Methodik
Wie bisher auch, verlassen wir uns nicht allein auf die Nachhaltigkeitsberichte, weil hier weiterhin verbindliche Standards fehlen. Mit unseren eigenen Untersuchungs-Kriterien schaffen wir Vergleichbarkeit und Transparenz. Das Herzstück unserer Studie bildet daher eine eigene Erhebung, welcher sich dieses Jahr 28 Versicherungsunternehmen gestellt haben, unabhängig von ihrer Größe. So wurde mithilfe von 132 Untersuchungs-Kriterien das Nachhaltigkeitsverhalten der Versicherer untersucht. Die gelieferten Daten der Versicherer wurden mittels des von uns entwickelten Bewertungsschemas zwischen den Versicherungsunternehmen vergleichbar gemacht. Daten wie beispielsweise Verbräuche wurden in einer vorgegebenen Einheit pro Vollzeitäquivalent (Anm.: ein heute üblicher, aber unmenschlicher Begriff für Menschen als Mitarbeiter von Unternehmen) untersucht. Somit wird die Vergleichbarkeit zwischen verschieden großen Versicherern ermöglicht.