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Betriebsrentenstärkungsgesetz BRSG – Vom bAV-Hoffnungsträger zum Rohrkrepierer?

Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) wollte die Bundesregierung dem stockenden bAV-Markt neuen Schwung verleihen. Dies zielte vor allem auf kleine und mittlere Unternehmen sowie Geringverdiener, wo die Durchdringung mit Betriebsrenten besonders niedrig ist. Was hat sich seit Einführung des Gesetzes getan? Wir geben einen Überblick

Ende 2017 hatten gut 18 Millionen sozialversicherungs-pflichtig Beschäftigte in Deutschland eine Anwartschaft auf eine betriebliche Altersversorgung (bAV). In dieser Zahl sind laut der „Trägerbefragung zur betrieblichen Altersversorgung 2017“, einer großangelegten Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS), sowohl der Öffentliche Dienst als auch die Privatwirtschaft enthalten.

Das entspricht einem Anteil von 55,6 Prozent. Da die Zahl der Anwartschaften im Vergleich zu der Untersuchung von 2015 mit unter drei Prozent deutlich schwächer als die der Beschäftigten (plus knapp fünf Prozent) gestiegen ist, fiel die Durchdringung um etwa einen Prozentpunkt niedriger aus. Weitere Studien haben gezeigt, dass die Quoten insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen und bei Geringverdienern noch deutlich niedriger ausfallen.

Zielrente und Sozialpartnermodell als Kernpunkte des BRSG

Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung rund eineinhalb Jahrzehnte nach der letzten bAV-Reform das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) auf den Weg gebracht, das in wesentlichen Teilen zum 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist. Ein Kernstück ist die Zielrente, die auch in Anlehnung an ihre „Erfinderin“, die damalige Arbeitsministerin Andrea Nahles, „Nahles“-Rente genannt wird.

Bei der Zielrente handelt es sich um die neue bAV-Zusageart der reinen Beitragszusage. Dabei sagt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer die Zahlung eines Beitrags in eine Direktversicherung, Pensionskasse oder in einen Pensionsfonds zu. Dies geschieht auf Basis einer tarifvertraglichen Vereinbarung oder lehnt sich bei nicht tarifgebundenen Firmen an einen Branchentarifvertrag an. Eine Einstandspflicht des Arbeitgebers ist in diesem Modell ausdrücklich ausgeschlossen.

Die reine Beitragszusage kommt ohne kostspielige Garantien aus, was im Niedrigzinsumfeld eine höhere Rendite ermöglichen soll. Die Zusage wird von den Sozialpartnern – den Arbeitgebern auf der einen und den Gewerkschaften auf der anderen Seite – gesteuert. Daher auch der Name „Sozialpartnermodell“ (SPM), was vielfach auch als sechster Durchführungsweg bezeichnet wird.

Darüber hinaus handelt es sich um eine reine laufende Rentenleistung, da eine Kapitalabfindung ausgeschlossen ist. Ein Unterschied zu den restlichen fünf Durchführungswegen stellt unter anderem die Implementierung eines neuen Optionssystems dar (Opting-out). Arbeitnehmer müssen in diesem Fall aktiv der angebotenen Entgeltumwandlung widersprechen. Passivität des Arbeitnehmers führt in diesem Fall also automatisch zu einer Entgeltumwandlung.

Betriebsrentenstärkungsgesetz: Bisher schwache Umsetzung

An der Umsetzung in die Praxis hapert es allerdings noch gewaltig. So ist am Markt bis auf eine Ausnahme noch kein Sozialpartnermodell verfügbar. Dabei handelt es sich auch noch um eine „interne“ Lösung. So haben die Talanx und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) im Rahmen eines Haustarifvertrags vereinbart, dass die erste Nahles-Rente zum 1. Januar 2020 für die Mitarbeiter der Hannoveraner sowie die Belegschaft der HDI Versicherungsgruppe umgesetzt wird.
Dahinter steht die „Deutsche Betriebsrente“, eine von der Zurich Gruppe Deutschland und der Talanx selbst initiierten Konsortiallösung auf Basis eines kapitalmarktbasierten Pensionsfonds. Die Zurich will dem Beispiel des Kooperationspartners im Laufe des Jahres folgen.

Ansonsten herrscht allerdings gähnende Leere auf der SPM-Landkarte. Dies allein der Versicherungswirtschaft anzulasten, ginge jedoch am Kern des Problems vorbei. Denn weit über ein Dutzend weitere Versicherer haben sich meist in Form von ebenfalls Konsortiallösungen in Stellung gebracht. Hingegen stehen vor allem die Gewerkschaften zumindest stark auf der Bremse. Und auch bei den Arbeitgebern ist bestenfalls Zurückhaltung angesagt.

Allerdings muss sich die Assekuranz fragen lassen, warum sie nicht mit gutem Beispiel vorangegangen ist und schon viel früher Umsetzungen – etwa zunächst einmal für die eigene Belegschaft – auf den Weg gebracht hat. Denn die Unternehmen aus der Wirtschaft warten schon fast händeringend auf eine Blaupause, um sehen zu können, wie genau das Modell in der Praxis läuft. Ob die oben erwähnte „Deutsche Betriebsrente“ allerdings als ein Prototyp der „neuen“ bAV in den Fokus der Wirtschaft rückt und Signalwirkung entfaltet, bleibt abzuwarten.

Corona schwächt Priorität von bAV

Darauf sollte man aktuell auch keine allzu großen Hoffnungen setzen. Denn inzwischen hat die Coronakrise nicht nur das öffentliche, sondern auch den Großteil des Wirtschaftslebens komplett lahmgelegt. Wenn Unternehmen in Existenznöte geraten, ums nackte Überleben kämpfen und im Extremfall sogar zigtausende Arbeitsplätze akut gefährdet sind, dürfte das Thema Betriebsrente alles andere als oben auf der Agenda stehen – Betriebsrentenstärkungsgesetz und SPM hin oder her.

 

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Sören Bödeker

Sören Bödeker
Analyse Altersvorsorge
Franke und Bornberg

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