Ratingagentur Franke und Bornberg kommentiert Zahlen des GDV zur BU-Regulierungspraxis
Erstmals hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) Zahlen zur BU-Regulierungspraxis vorgelegt. Das ist ein guter und wichtiger Schritt zu mehr Transparenz. Unsere Branche muss transparenter werden, wenn es gelingen soll, öffentlicher Kritik sachlich zu begegnen. Nur so kann man dem Vorwurf, die Assekuranz betreibe systematische Leistungsverweigerung, den Nährboden entziehen.
Die Ratingagentur Franke und Bornberg geht diesen Vorwürfen schon seit geraumer Zeit auf den Grund. Im Jahr 2004 haben wir damit begonnen, die BU-Regulierungspraxis zu analysieren. Dazu untersuchen wir ausgewählte Versicherungsunternehmen und prüfen die Daten anhand von Stichproben vor Ort. Seit 2014 machen wir die Ergebnisse öffentlich zugänglich. Die nächste Studie wird im Februar 2016 veröffentlicht und auf rund 22.000 Leistungsfällen basieren. Vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen und Erkenntnisse aus mehr als zehn Jahren sind einige Anmerkungen zu den GDV-Zahlen angebracht.
Daten ohne Kontrolle
Ein grundlegendes Problem ist, dass die GDV-Zahlen nicht verifiziert werden können. Nach Angaben des GDV beruhen die Daten ausschließlich auf Angaben der befragten Unternehmen. Eine externe Prüfung ist somit nicht möglich. Damit jedoch steht und fällt die Aussagekraft und vor allem die Akzeptanz für die erhobenen Werte. In den bisherigen Veröffentlichungen und Kommentaren wurden ausschließlich verdichtete Zahlen genannt. Weder konkrete Antworten noch die zugrunde liegenden Fragen sind bekannt. Das lässt viele Fragen offen.
Leistungsquote – mit oder ohne
Nach GDV-Angaben beträgt die Leistungsquote – also das Verhältnis von anerkannten zu eingereichten Leistungsanträgen – rund 77 Prozent. Diese Quote liegt deutlich über den Werten, die Franke und Bornberg ermittelt hat. Bezogen auf alle Anträge lagen unsere Werte für 2014 bei knapp 65 Prozent. Erst wenn die Fälle von zurückgezogenen Anträgen oder verletzter Mitwirkung abgezogen werden, erreicht die von uns ermittelte Quote fast 75 Prozent und damit annähernd den GDV-Wert.
Wir wissen, dass viele Kunden ihren Anspruch nicht weiter verfolgen und den Fragebogen nicht ausgefüllt zurücksenden. Der GDV weist nicht aus, wie er mit diesen Fällen umgeht. Berücksichtigt die Quote alle Leistungsanträge, oder nur jene, bei denen alle für die Entscheidung erforderlichen Angaben vorlagen? Die Differenz ist beträchtlich. Nach unseren Erfahrungen werden Vorgänge, die nicht zur Entscheidung kommen, in den Statistiken der Versicherer unterschiedlich geführt. Allein dadurch kann es bei der Leistungsquote zu Abweichungen im zweistelligen Prozentbereich kommen. Hier sind klare Aussagen gefragt.
Abgelehnt – aber warum
Zu den Ablehnungsgründen hält sich der GDV bislang bedeckt. Für Vermittler wie für Kunden, aber auch für die Öffentlichkeit ist durchaus von Interesse, warum keine Leistung erbracht wird. Denn hinter jeder Ablehnung steht ein konkreter Sachverhalt, zum Beispiel medizinische Gründe, Anfechtung und Rücktritt, ein nicht erfüllter Prognosezeitraum, Ausschlüsse aufgrund von Bedingungen oder Klauseln, Gerichtsurteile oder
Verweisung. Je differenzierter die Angaben der Versicherer, umso größer ist die Akzeptanz, weil der Vorwurf pauschaler Leistungsverweigerung schwindet. Mehr Klarheit wäre im Übrigen auch bei den Anerkennungen gefragt. Schließlich macht es einen Unterschied, ob Leistungen bedingungsgemäß, auf Basis einer Individualvereinbarung oder eines gerichtlichen Vergleichs gezahlt werden und ob sie befristet sind.
Gutachten rückläufig
Wie der GDV mitteilt, beauftragten die Versicherer nur bei knapp sechs Prozent aller Leistungsfälle ein Gutachten. Eine Aussage über Qualität und Zeitverhalten bei der Leistungsregulierung ist damit aus Sicht von Franke und Bornberg nicht verbunden. Wir stellen seit Jahren eine rückläufige Entwicklung bei externen Gutachten fest. Eine mögliche Ursache ist, dass Versicherer insbesondere für psychologische Gutachten verstärkt Kompetenz im eigenen Haus aufbauen. Es werden somit quasi interne Gutachten erstellt. Gutachten sind oft nicht zu vermeiden, da längst nicht alle Fälle eindeutig sind. Ein Gutachten ist somit kein Malus, sondern oft der einzige Weg, eine klare Entscheidungsgrundlage zu schaffen.
Ab wann die Uhr tickt
Laut GDV vergehen zwischen Vorliegen aller entscheidungsrelevanten Unterlagen und der Leistungsentscheidung knapp 13 Kalendertage. Diese Zahl klingt positiv, ist für Kunden aber nicht relevant, da keine Rückschlüsse auf die gesamte Regulierungsdauer möglich sind. Gerade Verschleppungspraktiken, also das bewußte Hinauszögern der Leistungsentscheidung, finden durch Anforderungen immer weiterer Unterlagen statt. Vor den genannten 13 Tagen können mehrere Monate Prüfungsdauer liegen, in denen Unterlagen zusammengestellt und ärztliche Einschätzungen getroffen werden. Der GDV geht hier selektiv vor. Seine Zeitrechnung beginnt erst, wenn sämtliche zur Leistungsprüfung erforderlichen Informationen vorliegen. Eine solche Messgröße ich nicht geeignet, um die Kundenorientierung einzelner Anbieter zu messen. Dafür taugt nur die durchschnittliche Gesamt-Regulierungsdauer. Versicherer sind durchaus in der Lage, Abläufe zu beschleunigen und die Zeit bis zum Vorliegen aller relevanten Unterlagen abzukürzen.
Der GDV wäre also gut beraten, sich offensiv mit der Gesamtdauer der Leistungsprüfung zu beschäftigen. Diese betrug nach den aktuellen Erkenntnissen von Franke und Bornberg im Jahr 2014 im Durchschnitt 196 Tage, wobei Anerkennungen nach durchschnittlich 179 und Ablehnungen nach 201 Tagen ausgesprochen werden. Dabei handelt es sich im Übrigen nicht um Werte, die durch bewußte Verzögerung der Entscheidung entstehen. Gerade die hohe Anzahl von psychischen Erkrankungen als Leistungsauslöser bringt durch eine komplexe medizinische Beurteilung bei gleichzeitger Knappheit von Ressourcen bei medizinischen Spezialisten eine Verlängerung von durchschnittlichen Bearbeitungsdauern mit sich.
Die tatsächliche Regulierungsdauer sollte daher nicht verschwiegen werden, denn die Zahl von 13 Tagen kann nur zu falschen Schlussfolgerungen und in der Folge zu enttäuschten Erwartungen und Verärgerung führen.
Fazit
Die Bereitschaft des GDV, in der BU-Regulierungspraxis mehr Transparenz zu zeigen, ist gut und zeitgemäß. Nur so kann Vertrauen in die Leistungsbereitschaft der Assekuranz zurückgewonnen werden. Allerdings sind die Daten bislang noch lückenhaft. Eine Verifizierung von unabhängiger Stelle ist derzeit nicht vorgesehen. Dabei müssten sich die Versicherer gar nicht verstecken; die BU-Regulierung ist deutlich besser als ihr Ruf. Das unterstreichen auch die jüngsten Ergebnisse der unabhängigen Studie von Franke und Bornberg zur BU-Regulierungspraxis, die in Kürze vorliegen wird. Die grundsätzlich positive Leistungspraxis kann aber durch selektiv veröffentlichte Daten zu falschen Eindrücken und Enttäuschungen führen.