BU-Stabilitätsrating 2025: Überwiegend krisenfest trotz Prämienerosion
Die aktuelle Ausgabe des BU-Stabilitätsratings von map-report untersucht umfassend die Indikatoren für einen stabilen Geschäftsverlauf der Versicherer. Dabei wird nicht nur die bisherige Geschäftsentwicklung analysiert, sondern auch Faktoren berücksichtigt, die eine Einschätzung der zukünftigen Stabilität im BU-Geschäft ermöglichen. Besonders in der Berufsunfähigkeitsversicherung spielt die langfristige Stabilität eine entscheidende Rolle. Drei Versicherer erzielen in der Bewertung die Bestnote „mmm+“ und werden für ihre hervorragenden Leistungen ausgezeichnet.
Hannover, 5. März 2025. Der langjährige scharfe Prämien-Wettbewerb rückt die Stabilität von BU-Versicherern in den Fokus. Gleichzeitig wächst das Potential für die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU). Im Jahresdurchschnitt 2024 waren rund 46,1 Millionen Menschen mit Arbeitsort in Deutschland erwerbstätig. Das waren so viele Erwerbstätige wie noch nie seit der deutschen Vereinigung im Jahr 1990. Auch die Bruttoeinkommen gehen nach oben. Damit beim Blick auf den Preis die Stabilität der Anbieter nicht ins Hintertreffen gerät, wurde jetzt das BU-Stabilitätsrating aktualisiert.
Die Ergebnisse überzeugen. Nach drei Dekaden Qualitätswettbewerb hat der BU-Schutz ein Top-Niveau erreicht, das bei den Spitzentarifen kaum noch steigerungsfähig ist. Deshalb konzentrierten sich viele BU-Versicherer vor allem auf Zielgruppen mit spezifischem Bedarf. Dazu zählten Bedingungspassagen wie Nachversicherung für Schüler, Studenten und Azubis oder spezielle Klauseln für Beamte und Teilzeitbeschäftigte.
Die Ratingagentur Franke und Bornberg hat mit ihren Studien zur BU-Stabilität bereits seit 2010 die Branche analysiert. Dabei bestätigte sich, was Michael Franke vermutet hatte, aber zuvor als ausgeschlossen galt: einige Versicherer hatten die Überschüsse im BU-Bestand nach unten angepasst. Kunden mussten also eine höhere Prämie zahlen oder büßten Leistungen ein.
Basierend auf diesem Konzept wurde die Neuauflage des BU-Stabilitätsratings von map-report erstellt, das in diesem Jahr in die sechste Runde geht. Es zeigt für Kunden und Vermittler, welche Versicherer für langfristig verlässliche Konditionen und damit für Zukunftsfähigkeit stehen. 39 Gesellschaften erhielten eine Gesamtbewertung. Davon erreichten drei Anbieter einen Platz in der Spitzengruppe. Vier weitere Versicherer stellten sich dem noch deutlich umfangreicheren BU-Unternehmensrating von Franke und Bornberg, bei dem Einblick in interne Kennzahlen und Prozesse genommen wird. An 16 Versicherer konnten nur Teilbewertungen vergeben werden, weil wesentliche Daten nicht verfügbar waren.
Die Sieger im Stabilitätsrating
Das Rating ermittelt für jedes Wertungskriterium eine Kennzahl im Bereich zwischen 0 und 100 (100 = Maximalerfüllung) als Maßstab für die Fähigkeit eines Unternehmens, sein BU-Geschäft langfristig stabil betreiben zu können. Der Stabilitätsindex zeigt für jeden Teilbereich sowie für die Gesamtwertung das Verhältnis von erreichter zu möglicher Punktesumme. Die Ergebnisse der Teilbereiche werden gewichtet und zu einem Gesamtindex zusammengeführt. Dieser Index ist ein wichtiger Indikator für langfristige Stabilität im Geschäftsfeld Berufsunfähigkeit. Die Tabelle zeigt die Versicherer, die mit Höchstnote abgeschnitten haben.
Die beste Bewertung im Rating erzielte wie im Vorjahr die LV1871 mit 92,2 % und der Auszeichnung „mmm+“ für hervorragende Leistungen. Der Vorsprung auf die zweitplatzierte Continentale (86,4 %) ist recht komfortabel und beträgt 5,7 Prozentpunkt. Auch der Allianz gelang mit 86,1 % wiederum der Sprung über die 85%-Hürde und damit der Einzug in die Spitzengruppe.
Zurich Deutscher Herold, InterRisk, Provinzial, Helvetia, Hannoversche und Swiss Life liegen bei den Ergebnissen sehr nahe beieinander, verfehlten die Höchstbewertung nur geringfügig und gingen mit der Bewertung „mmm“ für sehr gute Leistungen aus dem Test hervor. Insgesamt 26-mal wurde die zweithöchste Benotung vergeben, was erwartungsgemäß die stabile Aufstellung vieler Versicherer in diesem Geschäftsfeld spiegelt.
Die Bewertung der vier Versicherer Ergo Vorsorge, Generali, HDI und Nürnberger ist aufgrund der zusätzlich verfügbaren Informationen nicht vollständig vergleichbar. Das Benchmarkverfahren sorgt aber dafür, dass die Prozent-Ergebnisse dieselbe Aussagekraft haben. Diese vier Gesellschaften beteiligen sich am BU-Unternehmensrating von Franke und Bornberg. Bei der Unternehmensbewertung vor Ort wird deutlich tiefer in die Interna der Unternehmen eingetaucht als es durch die Auswertung von öffentlich zugänglichen Daten möglich wäre. Insofern haben die Ergebnisse der Franke und Bornberg Unternehmensratings die höchste Wertigkeit. Dementsprechend werden die Teilnehmer des BU-Unternehmensratings in diesem Stabilitätsrating zwar berücksichtigt, aber mit den Ergebnissen des BU-Unternehmensratings abgebildet.
Prämien weiter auf Talfahrt
Der Markt der Berufsunfähigkeitsversicherungen befindet sich weiterhin in einem heftigen Preiskampf. Anbieter justieren ihre Tarife, während sie gleichzeitig mit Herausforderungen bei Ertrag und Risiko kämpfen. Aufgrund der Erhöhung des Rechnungszinses von 0,25 % auf 1,0 % haben die meisten Versicherer ihre Preise zum Januar 2025 angepasst, und zwar nach unten.
Im ersten BU-Stabilitätsrating aus dem Jahr 2015 lag die durchschnittliche Bruttoprämie für die Beispielrechnung des Bankkaufmanns bei 107,99 €, für den Maschinenbauingenieur bei 103,34 € und für den Tischler bei 228,94. Für die gleichen Musterkunden betragen die durchschnittlichen Brutto-Monatsbeiträge im Jahr 2025 111,55 € für den Bankkaufmann, 81,85 € für den Ingenieur und 220,55 € für den Tischler. Das gleiche Bild auch bei den Nettoprämien. Für den Bänker stieg der Beitrag von 75,19 auf 76,15 €. Beim Ingenieur hingegen fiel die Prämie von 69,97 auf 55,90 €, der Beitrag des Tischlers ging von 162,86 auf 150,75 € zurück. In den weiteren sieben Musterfällen waren die Prämienentwicklungen im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls rückläufig.
Michael Franke, Geschäftsführer der Franke und Bornberg GmbH, sieht die Talsohle bei im Preiskampf noch nicht erreicht. „BU-Versicherer schreiben die Entwicklung zur Klassengesellschaft fort. Insbesondere für Akademiker wird das Angebot seit Jahren nicht nur besser, sondern noch günstiger. Wer körperlich arbeitet, muss sich den teuren BU-Schutz hingegen mühevoll ersparen. Ob Krankenschwester, Pfleger oder Handwerker – gerade jene Berufe, die unsere Gesellschaft zusammenhalten, fallen oft durchs Raster. Weil sie im Vertrieb unbeliebt ist, wird die Erwerbsunfähigkeitsversicherung als sinnvolle Alternative kaum angeboten. Für eine Positionierung der Branche als eine ergänzende Säule der Sozialsysteme wäre dies dringend geboten.“
Brutto-Netto-Spread
Eine große Differenz zwischen Netto- und Bruttoprämie in der Berufsunfähigkeitsversicherung kann für Kunden unter Umständen stark steigende Beiträge zur Folge haben. Gemeinhin gilt: Je größer der Abstand zwischen Netto- und Bruttoprämie, umso größer ist das Risiko steigender Prämien.
Beitragsanpassungen bei Bestandsverträgen hat es in den vergangenen Jahren bereits bei diversen Gesellschaften gegeben. Dieses Thema wird in der Öffentlichkeit sehr sensibel verfolgt. Insofern wäre zu erwarten, dass sich der Preiswettbewerb in der derzeitigen Form nicht weiterentwickelt und die Gesellschaften verstärkt auf Nachhaltigkeit setzen. Davon ist bisher jedoch nichts zu spüren. Auffällig ist hingegen, dass der Brutto-Netto-Spread marktdurchschnittlich rückläufig ist. Lag die Differenz 2016 im Schnitt noch bei 36,1%, ging es über 33,9% im Jahr 2019 im aktuellen Geschäftsjahr auf 31,7 % bergab.
Die Differenz zwischen den Brutto- und Nettoprämien wird vom Überschusssatz geprägt. Deshalb variieren die Brutto-Netto-Abweichungen zwischen den jeweiligen Musterbeispielen nur in Einzelfällen und nur um wenige Prozentpunkte.
Schwerpunkt: Schäden und Überschüsse
Die BU-Überschüsse der Versicherer und deren Stabilität stehen zusammen mit der Schadenquote gemäß offizieller BaFin-Nachweisung 218 im Zentrum dieser Untersuchung, haben mit etwas über 30 % die höchste Gewichtung und somit den größten Anteil am Endergebnis.
Risikoüberschüsse sind das Ergebnis einer vorsichtigen Kalkulation. Sie entstehen, wenn das tatsächliche Risiko unterhalb der kalkulierten Invalidisierungswahrscheinlichkeit verläuft. Aber Überschüsse sind nicht naturgegeben. Senkungen der Überschussanteile gelten als der stärkste Indikator dafür, dass die Kalkulation schon in der Vergangenheit nur teilweise aufgegangen ist. Leidtragende sind die Kunden. Ihr Beitrag steigt bei gleichbleibenden Leistungen oder ihre Leistungen sinken - je nach vereinbartem Überschusssystem.
„Im Bewertungszeitraum wurden die Überschüsse von einigen Anbietern teils deutlich reduziert“, stellt Reinhard Klages, Verantwortlicher des map-report, fest. „Zwar waren in den aktuellen Deklarationen zur Überschussbeteiligung keine Senkungen zu finden, für das kommende Jahr wurden aber bereits Reduzierungen angekündigt“, so Klages weiter.
Das Rating berücksichtigt Höhe und Zeitpunkt von Überschussabsenkungen. Sollte das gestiegene Zinsniveau längerfristig anhalten, wäre das für die Überschusssituation der Versicherer und damit schlussendlich für die Verbraucher ein positiver Effekt.
Zur Messung des wirtschaftlichen Erfolgs des BU-Geschäfts wird die Schadenquote herangezogen. Je erfolgreicher ein Versicherer das BU-Geschäft betreibt, desto geringer ist seine Schadenquote. Ziel dieses Untersuchungsbereiches ist es jedoch nicht, den Versicherer mit der geringsten Schadenquote als Benchmark anzusehen. Das wäre schon deshalb fahrlässig, weil die Schadenquote auch durch eine abweisende Leistungspraxis oder ein hohes Neugeschäft gesenkt werden kann. Vielmehr wird der Zweck verfolgt, Abschläge vorzunehmen, wenn auffällig hohe Schadenquoten oder nachhaltige Tendenzen dorthin festgestellt werden. Dabei sind einzelne Jahre wenig aussagefähig.
Neue Kriterien
Die Berufsunfähigkeitsversicherung rückte im vergangenen Jahr mit kritischen Neuerungen in den Fokus der Öffentlichkeit. Insbesondere die Einführung des Verzichts auf die konkrete Verweisung sowie der Verzicht auf die Prüfung der Umorganisation bei Selbständigen lösten intensive Diskussionen aus. Diese Neuerungen bergen das Risiko, die Balance zwischen Versicherbarkeit und Solidität zu beeinträchtigen. Insbesondere der Verzicht auf die konkrete Verweisung übertritt die Linie zwischen Versicherungsschutz und sinnlosen Geschenken an einzelne Versicherte. Deshalb wurden die Aspekte als stabilitätsgefährdend im Rating aufgenommen und entsprechend mit Punktabzügen berücksichtigt. Bislang sind weitere Versicherer diesen Beispielen nicht gefolgt. „Die Entscheidung der meisten Anbieter, an der konkreten Verweisung festzuhalten, unterstreicht die Bedeutung von Stabilität und Risikobewusstsein im Markt“, so Michael Franke.
Zusätzlich werden kleine Bestände mit weniger als 15.000 Policen als kalkulatorisches Risiko eingestuft. Ein Versicherer mit einem kleinen Bestand an BU-Versicherungen ist einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt, insbesondere im Schadenfall. Die Ursachen dafür liegen in der fehlenden Risikostreuung, der Volatilität einzelner Schäden und der fehlenden Skaleneffekte.
Eine stabile Kalkulation basiert auf einem großen Versichertenpool, bei dem sich Schäden im Durchschnitt ausgleichen. „Bei einem kleinen Bestand können bereits wenige teure Leistungsfälle eine große finanzielle Belastung darstellen. Die hohe Volatilität kann dazu führen, dass ein einzelner Versicherungsfall unverhältnismäßig stark die Schadenquote beeinflusst“, meint Klages.
Stabilitätsfaktor Finanzstärke
Im Bereich „Finanzstärke“ wurden 13 Unternehmenskennzahlen bewertet. Drei Gesellschaften erreichten mindestens 85 %, weitere 13 mindestens 75 %. Die Bilanzwertung konnte die LV1871 mit herausragenden 94,00 % für sich entscheiden. Die bilanzielle Stärke muss dabei aber nicht zwangsweise größenabhängig sein. Die Silbermedaille geht an die Universa, die nach verdienten Bruttobeiträgen 2023 auf Platz 59 rangiert und einen Marktanteil von 0,17 % hat. Bronze geht an den Branchenprimus Allianz mit 85,0 %. Weitere Informationen zur Finanzstärke bietet der map-report Nr. 936 – Bilanzrating deutscher Lebensversicherer.
Fazit und Ausblick
Nach wie vor bleibt die Absicherungsquote gegen die existenzbedrohende finanzielle Gefahr einer Berufsunfähigkeit auf einem niedrigen Niveau. Der Gesamtbestand stagniert seit Jahren. Der Wettbewerb fokussiert sich auf wenige Berufsgruppen, wobei in diesen Segmenten – verstärkt durch die Erhöhung des Höchstrechnungszinses – ein zunehmend aggressiver Preiskampf herrscht.
Wie von Franke und Bornberg schon lange gewarnt wird, ist vielen Berufstätigen, vor allem jungen Personen, das Risiko einer Berufsunfähigkeit nicht bewusst. Nach unseren Berechnungen beträgt die durchschnittliche monatliche BU-Rente rund 1.100 €. Angesichts der hohen Mieten in vielen deutschen Großstädten dürfte die BU-Rente im Fall der Fälle gerade noch für die Wohnungsmiete reichen.
Hierin liegt die Herausforderung für den Vertrieb, das Bewusstsein für das individuelle BU-Risiko zu schaffen und die Kunden von der Notwendigkeit der privaten Absicherung zu überzeugen. „Policen zur Absicherung der Arbeitskraft sind Low-Interest-Produkte; sie werden nicht gekauft, sondern müssen verkauft werden“ gibt Michael Franke zu bedenken.
Ab sofort lieferbar
Der map-report 938 – „Stabilitätsrating der Berufsunfähigkeitsversicherer“ ist ab sofort im PDF-Format lieferbar. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen damit die zur Meinungsbildung wichtigsten Fakten, die durch systematische Verdichtung nach subjektiver Gewichtung zu einer Bewertung zu führen.
Abonnenten des map-report wurden bereits bevorzugt beliefert. Interessenten können sich an sich an map-reportfranke-bornberg [dood] de oder den map-report direkt online bestellen. Eine kostenlose Basisinformation stellt Franke und Bornberg unter diesem Link bereit. Für Fachjournalisten hält Franke und Bornberg auf Anfrage ein Rezensionsexemplar bereit. Im Rahmen der Berichterstattung dürfen einzelne Tabellen abgebildet werden. Sollten Sie davon Gebrauch machen, führen Sie bitte nicht mehr als acht Gesellschaften auf. Bei Fragen wenden Sie sich gerne an Reinhard Klages (Kontaktaufnahme über: Telefon +49 (0) 511 367389 0 | map-report
franke-bornberg [dood] de).